Samstag, 28. Mai 2011

Hieb- und stichfest - Kapitel 18

Maria Cabagnelli blickte nach oben zu der flackernden Laterne und folgte mit den Augen dem sich nach unten erweiternden Lichtkegel, aber da war nichts auffälliges. Die Parklaternen gaben nicht genug Licht, als dass sie eine frische Bruchstelle an einem der Bäume hätte erkennen können, und selbst wenn, brachen Äste ja mitunter auch ohne fremdes Zutun von Bäumen. Und dass der Fremde, der dort eben noch gesessen hatte, nun nicht mehr da war, musste ebenfalls nichts zu bedeuten haben.

Maria ging in gemessenem Tempo zurück in die Richtung, in der der Eingang des Parks lag. Außer dem feuchten Knirschen des Schotters unter ihren Füßen und einem leisen Rauschen, das der Wind in den Blättern der Bäume verursachte, war nichts zu hören.

"Psssst!" Wie aus dem Nichts war hinter ihr die Gestalt mit der Kapuze aufgetaucht, umfasste nun mit dem linken Arm ihre Hüfte und drückte ihr mit der rechten Hand den Mund zu, sodass sie keinen Laut von sich geben konnte.

"Keine Angst", raunte der Angreifer, während er Maria vom Weg herunter in Richtung der Bäume zog, "wir zwei haben jetzt bloß ein bisschen Spaß. Halt einfach die Schnauze, dann tut's auch nicht weh." Maria riss und zerrte an seinem linken Arm, trat um sich, versuchte sogar, in die Hand zu beißen, die er auf ihren Mund gepresst hielt, doch der Angreifer zog sie unbeirrt bis hinter eine der großen Eichen, wo man sie vom Parkweg aus nicht würde sehen können.

Er lockerte den Griff des linken Arms, holte ein Stück weit aus und schlug ihr seine geballte Faust mit Wucht in den Bauch. Maria stieß einen Schmerzenslaut aus, der aber fast unhörbar in der Handfläche ihres Angreifers hängenblieb.

"Halt die Schnauze", raunte der Angreifer erneut, "sonst schlag ich dich kaputt! Kapiert? Ob du das kapiert hast, will ich wissen!" Maria versuchte, einen zustimmenden Laut hervorzupressen. Der Angreifer griff mit seiner linken Hand ihre rechte Hüfte und wirbelte sie mit einem Ruck herum. Den Griff seiner rechten Hand um ihren Mund lockerte er dabei erst im letzten Moment, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte ihr das Genick gebrochen. Er hielt sie jetzt so, dass er ihr in die Augen sehen konnte. Sie erwiderte seinen Blick, machte aber keine Anstalten zu schreien oder sich zu wehren. Auch dann noch nicht, als er mit beiden Händen  nach dem Stoff ihres Kleides über ihrem Dekolleté griff, um es zu zerreißen.

Er holte sichtbar tief Luft und war damit noch nicht ganz fertig, als ihn jemand bei der rechten Schulter packte und herumwirbelte. Eine eisenharte Faust traf sein Gesicht und das Krachen verriet, dass ihm ein oder zwei Zähne aus dem Kiefer brachen. Er stürzte rücklings zu Boden und riss Maria mit sich, raffte sich aber gleich wieder auf. Enrico Cabagnellis zweiter Faustschlag brach das Nasenbein des Angreifers. Der wandte sich, wohl, um sein Heil in der Flucht zu suchen, doch hinter ihm hatte sich Maria ebenfalls wieder aufgerichtet und schlug ihm in einer Aufwärtsbewegung den Ballen ihrer rechten Hand gegen die Nase. Das eben gesplitterte Nasenbein bohrte sich tief ins Gehirn des Angreifers, der in der nächsten Sekunde vornüber fiel und regungslos auf dem feuchten Boden liegen blieb.

"Kennst Du ihn?", fragte Sergio, während er das Gesicht des Toten musterte. Dass Maria den Kopf schüttelte, ging in ihrem Zittern, das der abklingende Adrenalinschub verursachte, beinahe unter. Enrico wählte eine Nummer auf seinem Handy. "Toni, ich habe eilige Fracht... Nein, nicht für den Ofen, noch nicht... Bring es ins Kühlhaus, wir müssen uns das ganz genau ansehen... Im kleinen Park, wir warten hier auf dich."

Er nahm Maria in den Arm und sagte: "Cara mia, ich bin so stolz auf dich!" Sie sah ihn überrascht an, während er fortfuhr "Das Schwein hat gegrunzt, und du hast es geschlachtet. Es wird nie wieder grunzen!"

"Ich bin nicht zum Schlachten hierher gekommen", erwiderte sie leise, "sondern zum Weinen."

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