Dienstag, 26. April 2011

Hieb- und stichfest - Kapitel 13

"Sie verzeihen uns hoffentlich die Störung, aber meine Gattin und ich müssten dringend ein paar Worte mit Ihnen wechseln", leitete Stieglitz das Gespräch mit Schultheiss ein, der an der Rezeption saß und dabei war, ein Kreuzworträtsel lösen, das er sich aus der letzten Wochenendausgabe der Tageszeitung aufbewahrt hatte.

Irritiert blickte der alte Hotelier auf. "Es ist doch hoffentlich alles zu Ihrer Zufriedenheit?"

"Vielleicht wäre es besser, in Ihr Büro zu gehen. Ich bin sicher, dass Diskretion auch in Ihrem besten Interesse sein dürfte", führte Gianna die Unterhaltung fort. Schultheiss sah sie fragend an. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt sie den herausgebrochenen Türgriff des Kleiderschranks. Sie drehte ihn so, dass Schultheiss ihn und seine ungewöhnliche Einlage genau betrachten konnte.
"Gehen wir in mein Büro", stimmte der Hotelier zu und ging ihnen mit unsicheren Schritten voraus in einen Raum, der hinter der Rezeption lag. Durch ein Innenfenster würde er Gäste, die an die Rezeption kamen, auch von dort aus sehen können.

"Ich bin untröstlich. Ich bitte Sie, meine untertänigste Entschuldigung zu akzeptieren. Zu keiner Zeit war es beabsichtigt, Sie beide zu belauschen... Eine zutiefst bedauerliche Nachlässigkeit der Polizei. Sie müssen wissen, vor zwei Wochen hat hier... ein Gaunerpärchen gewohnt, und um Beweise zu sammeln, haben die Beamten diese ... Wanze eingebaut. Ich war damit einverstanden, unter der Bedingung, dass... die beiden nicht hier im Hotel verhaftet werden... Das Aufsehen, Sie verstehen."

Gianna lächelte: "Herr Schultheiss, bitte bemühen Sie Ihre Phantasie nicht weiter. Sie machen lange Pausen, während Sie sprechen, Ihre Pupillen sind geweitet, Ihr Blick wandert nach links oben - Sie sind ein Musterbeispiel für einen schlechten Lügner."

"Wenn Sie lang genug nachdenken", fuhr Stieglitz fort, "fallen Ihnen sicher auch Gründe dafür ein, dass die Wanze in unserem Zimmer nur eine von sehr vielen in diesem Hotel ist. Und dafür, dass dieses Modell schon seit Jahren nicht mehr hergestellt wird, aber trotzdem angeblich erst vor zwei Wochen hier eingesetzt worden ist. Von der Polizei, wie Sie sagen, von der wir ganz sicher wissen, dass sie dieses Modell noch nie verwendet hat. Und glauben Sie mir, wenn die Polizei in den letzten Wochen hier eine Observation durchgeführt hätte, dann wüssten wir es."

"Wir könnten jetzt natürlich die Polizei rufen", führte Gianna das Gespräch weiter, "damit die Beamten ihre kostspielige Ausrüstung endlich abholen. Aber ich bin nicht sicher, ob das in Ihrem Interesse wäre."

"Ganz sicher wäre es aber auch nicht in Ihrem Interesse", übernahm Stieglitz, "wenn Informationen samt glaubwürdiger Belege an die Presse durchsickerten. Boulevardblätter lieben solche Geschichten und bauschen sie immer furchtbar auf: Den Verrat von Staatsgeheimnissen werden die Ihnen andichten. Das verlorene Paradies wird als "Spionage-Hotel" in die Geschichte eingehen, und Sie als "Abhör-Opa". Dabei haben Sie bloß ein paar verdammte Ehebrecher wieder auf den rechten Weg gebracht und Ihre Hotelkasse ein klein wenig aufgebessert, stimmts?"

Schultheiss sah zu Boden.

"Denken Sie auch einmal an die Menschen, die sich im Laufe der Jahre Ihr Schweigen erkauft haben. Darunter mag so mancher sein, dessen Ehe inzwischen trotz Ihrer Verschwiegenheit in die Brüche gegangen ist, und dem es jetzt nichts mehr ausmacht, seine Geschichte öffentlich zu machen."

"Das wäre Ihr Ruin", sagte Gianna, "aber seien Sie gewiss, daran haben wir keinerlei Interesse."

Schultheiss sah sie überrascht an.

"Wir arbeiten für eine staatliche Behörde, sind aber auf Grund der Besonderheiten unserer Aufgaben nicht gezwungen, Straftaten, von denen wir Kenntnis erhalten haben, zur Verfolgung zu bringen. Wir würden stattdessen gern eine Vereinbarung mit Ihnen treffen."

Schultheiss hatte Tränen in den Augen. "Alles, was Sie wollen", stieß er hervor.

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