Immer wieder fuhr Holger Klausen mit dem Mauszeiger über die Zahlenreihen, blickte auf die Unterlagen, die er vor sich auf dem Küchentisch ausgebreitet hatte, und dann wieder auf das gelbstichige Display seines alten Laptops. Länger als eine Stunde hatte er schon Zahlen in eine Excel-Tabelle getippt, jetzt verglich er seine Eingaben noch einmal sorgsam Stück für Stück mit den Beträgen in seinen Papieren und fand schließlich einen Fehler: "207,46 €" hatte er in die Tabelle geschrieben, "207,64 €" stand in seinen Unterlagen. Er änderte die Zahl in der Tabelle und damit änderte sich auch die Summe in deren Fußbereich.
"Sinnlos!" Klausen stand ruckartig auf und klappte den Laptopdeckel zu. Ein Lämpchen an der Vorderseite wechselte die Farbe von grün zu orange, das Gerät war jetzt im Standby-Modus. Klausen zog den Einschub aus seiner Kaffepadmaschine, nahm ein warmes, durchfeuchtetes Kaffepad heraus und warf es in die Spüle. Aus der Blechdose neben der Kaffeemaschine fummelte er ein neues hervor, legte es in den Einschub und schob diesen zurück. Dann drückte er den Knopf, um einen neuen Kaffee aufzubrühen.
Samstag, 4. Juni 2011
Dienstag, 31. Mai 2011
Nicht alle Tassen
Ein weiteres Mal drückte Jürgen Groning den Auslöser. Das Bild, das im Display seiner Spiegelreflexkamera erschien, unterschied sich nur in Nuancen von den vorhergehenden. Er setzte den Objektivdeckel auf die Frontlinse, legte die Kamera in die Tasche auf dem Beifahrersitz und ließ den Motor an.
Sein Weg führte ihn vorbei an den imposanten verglasten Hochbauten der Banken und Versicherungen, dann durch ein Bürogebiet mit rot verklinkerten, drei- und vierstöckigen Flachbauten und weiter durch ein eher schmutziges Industrieviertel, an das sich ein in die Jahre gekommenes Wohngebiet anschloss, dessen dreistöckige Wohnhäuser noch überwiegend Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gebaut worden waren. Vor einem der Häuser stellte Groning den Wagen ab und stieg aus. Er ging auf den Eingang eines Hauses zu, dessen Außenputz großflächig abgeplatzt war, und in dessen Erdgeschossfenstern das Glas größtenteils durch verschimmelnden Pappkarton ersetzt worden war.
Sein Weg führte ihn vorbei an den imposanten verglasten Hochbauten der Banken und Versicherungen, dann durch ein Bürogebiet mit rot verklinkerten, drei- und vierstöckigen Flachbauten und weiter durch ein eher schmutziges Industrieviertel, an das sich ein in die Jahre gekommenes Wohngebiet anschloss, dessen dreistöckige Wohnhäuser noch überwiegend Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gebaut worden waren. Vor einem der Häuser stellte Groning den Wagen ab und stieg aus. Er ging auf den Eingang eines Hauses zu, dessen Außenputz großflächig abgeplatzt war, und in dessen Erdgeschossfenstern das Glas größtenteils durch verschimmelnden Pappkarton ersetzt worden war.
Samstag, 28. Mai 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 18
Maria Cabagnelli blickte nach oben zu der flackernden Laterne und folgte mit den Augen dem sich nach unten erweiternden Lichtkegel, aber da war nichts auffälliges. Die Parklaternen gaben nicht genug Licht, als dass sie eine frische Bruchstelle an einem der Bäume hätte erkennen können, und selbst wenn, brachen Äste ja mitunter auch ohne fremdes Zutun von Bäumen. Und dass der Fremde, der dort eben noch gesessen hatte, nun nicht mehr da war, musste ebenfalls nichts zu bedeuten haben.
Maria ging in gemessenem Tempo zurück in die Richtung, in der der Eingang des Parks lag. Außer dem feuchten Knirschen des Schotters unter ihren Füßen und einem leisen Rauschen, das der Wind in den Blättern der Bäume verursachte, war nichts zu hören.
"Psssst!" Wie aus dem Nichts war hinter ihr die Gestalt mit der Kapuze aufgetaucht, umfasste nun mit dem linken Arm ihre Hüfte und drückte ihr mit der rechten Hand den Mund zu, sodass sie keinen Laut von sich geben konnte.
Maria ging in gemessenem Tempo zurück in die Richtung, in der der Eingang des Parks lag. Außer dem feuchten Knirschen des Schotters unter ihren Füßen und einem leisen Rauschen, das der Wind in den Blättern der Bäume verursachte, war nichts zu hören.
"Psssst!" Wie aus dem Nichts war hinter ihr die Gestalt mit der Kapuze aufgetaucht, umfasste nun mit dem linken Arm ihre Hüfte und drückte ihr mit der rechten Hand den Mund zu, sodass sie keinen Laut von sich geben konnte.
Donnerstag, 26. Mai 2011
Anhörung
Das Web, so wird jedenfalls immer wieder behauptet, macht lesefaul. Ich halte das für eine gewagte These, denn bis heute besteht der ganz überwiegende Inhalt des Web ja gerade aus geschriebenen Worten. Wer das Web intensiv nutzt, liest nicht weniger, sondern mehr.
Nichtsdestoweniger kann ich bei mir selbst hin und wieder beobachten, wie ich einen länglichen Text, auf den ich beim Surfen gestoßen bin, erst einmal bis zum Ende scrolle, und mich, wenn mir er als zu lang erscheint, dann doch mit anderen Dingen beschäftige. Das ist in zweierlei Hinsicht kontraproduktiv: Viele - inhaltlich vielleicht durchaus interessante und nützliche - Texte entgehen mir, und selbst wenn ich den Text nach dem Scrollen doch noch lesen sollte, hat mir der vorzeitige Blick aufs Ende die Pointe oder den Spannungsbogen versaut. Falls Ihnen das auf diesen Seiten ähnlich geht, oder Sie tatsächlich lieber zuhören als lesen, habe ich eine gute Nachricht:
Montag, 23. Mai 2011
Gute Reise
"Dann gute Reise!"
"Was meinst du damit? Was für eine Reise wünschst du mir?"
"Eine gute, das hab ich doch gesagt."
"Ja, aber was verstehst du unter einer guten Reise? Ich will doch wissen, was du mir eigentlich wünschst."
"Na, erstmal, dass dir nichts passiert. Dass dein Flugzeug nicht abstürzt, dass du keinen Unfall hast, dass du nicht ausgeraubt wirst, und so weiter."
"Deine Ansprüche an 'gut' sind ja eher bescheiden. Ist 'gut' für dich wirklich bloß die Abwesenheit von 'schlecht'? Oder kommt da noch was?"
"Was meinst du damit? Was für eine Reise wünschst du mir?"
"Eine gute, das hab ich doch gesagt."
"Ja, aber was verstehst du unter einer guten Reise? Ich will doch wissen, was du mir eigentlich wünschst."
"Na, erstmal, dass dir nichts passiert. Dass dein Flugzeug nicht abstürzt, dass du keinen Unfall hast, dass du nicht ausgeraubt wirst, und so weiter."
"Deine Ansprüche an 'gut' sind ja eher bescheiden. Ist 'gut' für dich wirklich bloß die Abwesenheit von 'schlecht'? Oder kommt da noch was?"
Samstag, 21. Mai 2011
Die Zugfahrt
Ein Sturm blies an jenem Abend über den Westen des Landes, wie es schon lange keinen mehr gegeben hatte. Der Wind riss Dächer ein, brach Äste von Bäumen ab, knickte Ampelanlagen. Noch fuhren die Züge ungehindert, aber die großen Glasscheiben, die das Wartehäuschen am Bahnhof Sennestadt umgaben, vibrierten so unberechenbar, dass Alexander Ellert, offenbar der einzige, der den 22-Uhr-Zug nach Paderborn nehmen wollte, ein Stück weit rechts davon im freien auf den Zug wartete.
Mit acht Minuten Verspätung kam der Zug am Bahnhof an. Ellert entriegelte die Tür des hinteren Wagens und schloss sie mit einem kräftigen Ruck gleich wieder hinter sich. Der Wagen war fast leer, von einem Teenagerpärchen abgesehen, das knutschend auf einer Sitzbank am anderen Ende saß, und einer korpulenten Frau in den Fünfzigern, die von ihrem Platz in der Mitte des Wagens aus missbilligende Blicke in Richtung der Teenager warf.
Mit acht Minuten Verspätung kam der Zug am Bahnhof an. Ellert entriegelte die Tür des hinteren Wagens und schloss sie mit einem kräftigen Ruck gleich wieder hinter sich. Der Wagen war fast leer, von einem Teenagerpärchen abgesehen, das knutschend auf einer Sitzbank am anderen Ende saß, und einer korpulenten Frau in den Fünfzigern, die von ihrem Platz in der Mitte des Wagens aus missbilligende Blicke in Richtung der Teenager warf.
Freitag, 20. Mai 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 17
"Es ist nicht Maria! Nicht mit Bogdan! Niemals!" Enrico Cabagnelli brüllte in sein Telefon, während seine Nichte Gianna im Ristorante Pinocchio den Hörer ein Stück weit von ihrem Ohr weg hielt. Die Stimme des Italieners war kurz davor, sich zu überschlagen. "Lucia ist tot: Sie war ihre Freundin. Sven Klöckner ist tot: Sie weiß nicht einmal, wer das ist. Jürgen ist tot: Sie hat mich vor drei Stunden noch gefragt, ob er sie am Donnerstag nach Rom fliegen kann, sie wusste nicht, dass er gestern abgestürzt ist. Sie ist es nicht, sie hat nichts damit zu tun!"
Stieglitz konnte jedes Wort mithören und frage sich einen Moment lang, ob er nun doch noch seinen Job los würde, und wenn ja, welche Konsequenzen sich daraus für ihn ergäben. So oder so würde er seine Ermittlungen fortsetzen müssen, schon aus seinem Selbsterhaltungstrieb heraus. So lange er in Cabagnellis Auftrag ermittelte, würde er sich allerdings keine Sorgen um die erforderlichen Mittel machen müssen. Und er würde Giannas Gesellschaft genießen. "Sag Stieglitz", hörte er in diesem Moment Cabagnellis Stimme aus dem Telefon, "sag Stieglitz alles, was er über Bogdan wissen muss. Er muss sich nicht mehr auf Maria konzentrieren, er soll Bogdan für mich finden. Bogdan hat uns eine Botschaft geschickt, und ich werde ihm antworten. Er soll Bogdan finden, sag ihm das."
Stieglitz konnte jedes Wort mithören und frage sich einen Moment lang, ob er nun doch noch seinen Job los würde, und wenn ja, welche Konsequenzen sich daraus für ihn ergäben. So oder so würde er seine Ermittlungen fortsetzen müssen, schon aus seinem Selbsterhaltungstrieb heraus. So lange er in Cabagnellis Auftrag ermittelte, würde er sich allerdings keine Sorgen um die erforderlichen Mittel machen müssen. Und er würde Giannas Gesellschaft genießen. "Sag Stieglitz", hörte er in diesem Moment Cabagnellis Stimme aus dem Telefon, "sag Stieglitz alles, was er über Bogdan wissen muss. Er muss sich nicht mehr auf Maria konzentrieren, er soll Bogdan für mich finden. Bogdan hat uns eine Botschaft geschickt, und ich werde ihm antworten. Er soll Bogdan finden, sag ihm das."
Dienstag, 10. Mai 2011
Das Konzert
Ja, er musste auf dieses Konzert, und nein, er konnte sie nicht mitnehmen. "Nie soll ich auf deine Konzerte", klagte sie, "noch nicht ein einziges Mal habe ich dich live hören können."
Damit tat sie ihm Unrecht. An so manchem Abend hatte er ihr auf der Gitarre vorgespielt und dazu gesungen, und in einem dieser Momente war ihr klar geworden, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Über die letzten beiden Jahre hatte sie ihn sicher öfter live gehört als jeder andere.
Aber es gab Dinge, die er nicht mit ihr teilte, von denen er offenbar nicht einmal wollte, dass sie sie auch nur aus der Ferne sah. Er hatte Freunde, darunter die Jungs aus seiner Band, die er ihr noch nie vorgestellt hatte, und er ging zu Treffen, über die er ihr gegenüber selten auch nur ein Wort verlor. "Das ist so ein Männer-Ding, das musst du respektieren", hatte er gesagt, "ich respektiere ja auch deine Weiber-Sachen."
Damit tat sie ihm Unrecht. An so manchem Abend hatte er ihr auf der Gitarre vorgespielt und dazu gesungen, und in einem dieser Momente war ihr klar geworden, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Über die letzten beiden Jahre hatte sie ihn sicher öfter live gehört als jeder andere.
Aber es gab Dinge, die er nicht mit ihr teilte, von denen er offenbar nicht einmal wollte, dass sie sie auch nur aus der Ferne sah. Er hatte Freunde, darunter die Jungs aus seiner Band, die er ihr noch nie vorgestellt hatte, und er ging zu Treffen, über die er ihr gegenüber selten auch nur ein Wort verlor. "Das ist so ein Männer-Ding, das musst du respektieren", hatte er gesagt, "ich respektiere ja auch deine Weiber-Sachen."
Sonntag, 8. Mai 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 16
"Wo waren Sie während des Überfalls?" "Was haben Sie beobachtet?" "Wie viele Täter haben Sie gesehen?" "Können Sie die Täter beschreiben?" "Haben Sie in den Minuten vor dem Überfall etwas ungewöhnliches bemerkt?" Dass bei einer polizeilichen Ermittlung jeder der Zeugen die selben Fragen mehrfach gegenüber verschiedenen Polizeibeamten beantworten muss, ist keine Ermittlungstaktik, sondern ein schlichter Mangel an Koordination.
Wie jeden anderen der Gäste und Angestellten hatten die Ermittler auch Maria Cabagnelli befragt. Auf einer Skizze hatte sie markieren sollen, wo sich jeder einzelne zum Zeitpunkt des Überfalls aufgehalten hatte. Sie hatte die Polizisten darauf aufmerksam gemacht, dass sie selbst zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Gastraum gewesen sei, dennoch hatten die Beamten sie gedrängt, die Skizze zu vervollständigen. Erst danach hatten sie ihr eine Betreuung durch einen Psychologen angeboten, der etwa eine halbe Stunde nach den ersten Beamten am Ort des Geschehens eingetroffen war. Maria Cabagnelli hatte dankend abgelehnt und war vor die Tür getreten. Drinnen war ihre Freundin Andrea noch mit ihrer Aussage beschäftigt, die sie immer wieder laut schluchzend unterbrechen musste.
Wie jeden anderen der Gäste und Angestellten hatten die Ermittler auch Maria Cabagnelli befragt. Auf einer Skizze hatte sie markieren sollen, wo sich jeder einzelne zum Zeitpunkt des Überfalls aufgehalten hatte. Sie hatte die Polizisten darauf aufmerksam gemacht, dass sie selbst zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Gastraum gewesen sei, dennoch hatten die Beamten sie gedrängt, die Skizze zu vervollständigen. Erst danach hatten sie ihr eine Betreuung durch einen Psychologen angeboten, der etwa eine halbe Stunde nach den ersten Beamten am Ort des Geschehens eingetroffen war. Maria Cabagnelli hatte dankend abgelehnt und war vor die Tür getreten. Drinnen war ihre Freundin Andrea noch mit ihrer Aussage beschäftigt, die sie immer wieder laut schluchzend unterbrechen musste.
Freitag, 6. Mai 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 15
"Diese Kaltblütigkeit hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut", lächelte Gianna Modugno. Stieglitz und sie saßen jetzt im Pinocchio und warteten auf ihr Essen.
"Ich Ihnen schon", entgegnete Stieglitz, "von Berufs wegen. Ihres Berufs wegen, um genau zu sein."
Von außen wirkte die Pizzeria sehr einfach, schon fast etwas schäbig, doch das Innere entschädigte dafür vollständig. Der Innenraum war fast quadratisch, und maß in jede Richtung in etwa acht Meter. Die Wände waren mit einer Art cremefarbenem Glanzputz versehen, in den die Maler eine dezente Bordüre eingearbeitet hatten. Der Boden wirkte auf den ersten Blick, als sei er aus hellem Marmor, und nur Kenner konnten darin ein strapazierfähiges Laminat erkennen. Der hintere Bereich, von dem aus eine Tür in die Küche führte, war durch einen Tresen abgetrennt, der mit dem gleichen Material verkleidet zu sein schien. Die Tische waren teils für Vierergruppen zusammengestellt, zum größeren Teil standen sie jedoch einzeln, sodass an ihnen zwei Personen gemeinsam essen konnten. Auf makellosen weißen Tischdecken lagen ebensolche Stoffservietten, und in der Mitte jedes Tisches stand eine einzelne Kerze aus rotem Wachs in einem schlichten Metallkerzenständer. Die Stühle waren mit Korb durchflochtene Stahlgestelle mit hoher Rückenlehne, die beim Setzen und Aufstehen federnd ein klein wenig nachgaben.
"Ich Ihnen schon", entgegnete Stieglitz, "von Berufs wegen. Ihres Berufs wegen, um genau zu sein."
Von außen wirkte die Pizzeria sehr einfach, schon fast etwas schäbig, doch das Innere entschädigte dafür vollständig. Der Innenraum war fast quadratisch, und maß in jede Richtung in etwa acht Meter. Die Wände waren mit einer Art cremefarbenem Glanzputz versehen, in den die Maler eine dezente Bordüre eingearbeitet hatten. Der Boden wirkte auf den ersten Blick, als sei er aus hellem Marmor, und nur Kenner konnten darin ein strapazierfähiges Laminat erkennen. Der hintere Bereich, von dem aus eine Tür in die Küche führte, war durch einen Tresen abgetrennt, der mit dem gleichen Material verkleidet zu sein schien. Die Tische waren teils für Vierergruppen zusammengestellt, zum größeren Teil standen sie jedoch einzeln, sodass an ihnen zwei Personen gemeinsam essen konnten. Auf makellosen weißen Tischdecken lagen ebensolche Stoffservietten, und in der Mitte jedes Tisches stand eine einzelne Kerze aus rotem Wachs in einem schlichten Metallkerzenständer. Die Stühle waren mit Korb durchflochtene Stahlgestelle mit hoher Rückenlehne, die beim Setzen und Aufstehen federnd ein klein wenig nachgaben.
Donnerstag, 5. Mai 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 14
Das San Lorenzo, zur besten Zeit, voll mit Gästen, und seine Schwiegertochter Maria nur durch einen glücklichen Zufall nicht im Gästeraum, eine ihrer Freundinnen tot, Gian Luca, der Oberkellner, auf der Intensivstation, die Kasse geraubt: Sergio Cabagnelli saß an einem wuchtigen antiken Schreibtisch in seiner Bibliothek und ließ sich von seinem Sohn Enrico am Telefon jede Einzelheit des Überfalls schildern, so wie Enrico sie in Erfahrung gebracht hatte. Vor ihm lag ein aufgefächerter Papierstapel. Die einzelnen Seiten waren eng mit einer altmodischen Schreibmaschine beschrieben. Rechts davon lagen übereinander drei im A4-Format ausbelichtete Farbfotos.
"Wer ist das?! Wer tut das?! Das ist unsere gottverdammte Stadt!" In Enricos Wut mischten sich Unglauben und leise Verzweiflung, so als könnten nur überirdische, unbezwingbare Mächte es überhaupt gewagt haben, das Protektorat der Cabagnellis anzurühren. Und in der Tat hatten er dafür gesorgt, dass in der ganzen Stadt kein Ladendieb auch nur eine Schachtel Zigaretten aus einem Laden zu stehlen wagte, der den Schutz der Cabagnellis genoss.
"Wer ist das?! Wer tut das?! Das ist unsere gottverdammte Stadt!" In Enricos Wut mischten sich Unglauben und leise Verzweiflung, so als könnten nur überirdische, unbezwingbare Mächte es überhaupt gewagt haben, das Protektorat der Cabagnellis anzurühren. Und in der Tat hatten er dafür gesorgt, dass in der ganzen Stadt kein Ladendieb auch nur eine Schachtel Zigaretten aus einem Laden zu stehlen wagte, der den Schutz der Cabagnellis genoss.
Mittwoch, 27. April 2011
Der letzte Sturm
„Steuerbord! Verfluchter Sohn einer achtköpfigen Höllenhure, hart Steuerbord!“ Kapitän Holgers brüllte zum Rudergänger hinüber, doch der Sturm verschluckte beinahe jedes Wort. Die Santa Barbara lag jetzt fast quer zur Richtung der Wellen, die krachend am Rumpf des Schiffes brachen. Jeden Augenblick konnte der Schoner querschlagen und kentern.
Tausendsiebenhundertvierundzwanzig Seemeilen über Grund hatte der Schoner in den letzten zwei Wochen zurückgelegt. Zwei Tage hatten sie gegen den Wind kreuzen müssen, zwei weitere Tage waren sie einen Kurs hart am Wind gesegelt, doch je weiter sie nach Osten gekommen waren, desto besser schien es das Wetter mit ihnen zu meinen: Fast eine Woche waren sie bei steifer Brise raumschots dahin gesegelt. Der Sturm war aufgekommen, als sie nur noch fünfzig Seemeilen von ihrem Zielhafen entfernt waren.
Tausendsiebenhundertvierundzwanzig Seemeilen über Grund hatte der Schoner in den letzten zwei Wochen zurückgelegt. Zwei Tage hatten sie gegen den Wind kreuzen müssen, zwei weitere Tage waren sie einen Kurs hart am Wind gesegelt, doch je weiter sie nach Osten gekommen waren, desto besser schien es das Wetter mit ihnen zu meinen: Fast eine Woche waren sie bei steifer Brise raumschots dahin gesegelt. Der Sturm war aufgekommen, als sie nur noch fünfzig Seemeilen von ihrem Zielhafen entfernt waren.
Dienstag, 26. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 13
"Sie verzeihen uns hoffentlich die Störung, aber meine Gattin und ich müssten dringend ein paar Worte mit Ihnen wechseln", leitete Stieglitz das Gespräch mit Schultheiss ein, der an der Rezeption saß und dabei war, ein Kreuzworträtsel lösen, das er sich aus der letzten Wochenendausgabe der Tageszeitung aufbewahrt hatte.
Irritiert blickte der alte Hotelier auf. "Es ist doch hoffentlich alles zu Ihrer Zufriedenheit?"
"Vielleicht wäre es besser, in Ihr Büro zu gehen. Ich bin sicher, dass Diskretion auch in Ihrem besten Interesse sein dürfte", führte Gianna die Unterhaltung fort. Schultheiss sah sie fragend an. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt sie den herausgebrochenen Türgriff des Kleiderschranks. Sie drehte ihn so, dass Schultheiss ihn und seine ungewöhnliche Einlage genau betrachten konnte.
Irritiert blickte der alte Hotelier auf. "Es ist doch hoffentlich alles zu Ihrer Zufriedenheit?"
"Vielleicht wäre es besser, in Ihr Büro zu gehen. Ich bin sicher, dass Diskretion auch in Ihrem besten Interesse sein dürfte", führte Gianna die Unterhaltung fort. Schultheiss sah sie fragend an. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt sie den herausgebrochenen Türgriff des Kleiderschranks. Sie drehte ihn so, dass Schultheiss ihn und seine ungewöhnliche Einlage genau betrachten konnte.
Montag, 25. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 12
"Du hast Ihn verloren! Buono a nulla! Deficiente! Wie kannst du ihn verlieren?"
Maria Cabagnelli saß mit zwei Freundinnen im San Lorenzo, einem schicken hellen Restaurant am Ortsrand und konnte offenbar nur mit Mühe ihre Wut zügeln. Gerade eben hatte ihr Telefon geklingelt, und das Konterfei von Boris Karloff in seiner Paraderolle als Frankensteins Monster war auf dem Display erschienen. Dieses Gesicht teilten sich auf ihrem Smartphone ausnahmsweise mehrere Männer. Männer, die eigentlich für ihren Gatten Enrico arbeiteten, nützliche Idioten ohne einen Wert an sich.
Sonntag, 24. April 2011
Wie ich Thomas ruinierte
Vor ungefähr zwei Jahren habe ich begonnen, Thomas zu verändern.
Thomas ist aus dem Büro unseres Geschäftsführers gekommen. "Ich bin jetzt dein Boss!", hat er mir zugerufen, und dann erklärt: "Der Alte hat mich zum Abteilungsleiter befördert."
Ich habe gelächelt, bin aufgestanden, auf ihn zu gegangen, habe ihn in die Arme geschlossen und gesagt: "Thomas, ich freue mich sehr für dich. Du hast dir diese Beförderung verdient. Ich bin so froh, dass du jetzt unser Abteilungsleiter bist. Ich frage mich nur, warum nicht Hauptabteilungsleiter?" Thomas hat mich irritiert angesehen, "Danke" gesagt und seine Sachen zusammengeräumt, um sie in sein neues Büro zu tragen.
Thomas ist aus dem Büro unseres Geschäftsführers gekommen. "Ich bin jetzt dein Boss!", hat er mir zugerufen, und dann erklärt: "Der Alte hat mich zum Abteilungsleiter befördert."
Ich habe gelächelt, bin aufgestanden, auf ihn zu gegangen, habe ihn in die Arme geschlossen und gesagt: "Thomas, ich freue mich sehr für dich. Du hast dir diese Beförderung verdient. Ich bin so froh, dass du jetzt unser Abteilungsleiter bist. Ich frage mich nur, warum nicht Hauptabteilungsleiter?" Thomas hat mich irritiert angesehen, "Danke" gesagt und seine Sachen zusammengeräumt, um sie in sein neues Büro zu tragen.
Samstag, 23. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 11
Das "verlorene Paradies" war eine der billigeren Absteigen der Stadt. Dennoch war Karl Schultheiss, der einundsiebzigjährige Inhaber, Direktor und Portier in einer Person, um einen seriösen, gediegenen Auftritt bemüht.
"Herzlich willkommen, Herr Helmholtz", begrüßte er Stieglitz, der sich unter diesem Namen vorgestellt hatte, "Zimmer 17 im ersten Stock, Ihre Gattin erwartet Sie bereits."
Stieglitz bedankte sich lächelnd und stieg die Treppe hinauf. Er trug nur den kleinen Koffer mit Ausrüstung bei sich, den Lippert ihm mitgegeben hatte. Eine weitaus größere Reisetasche hatte Gianna Modugno ihm mitgebracht. So hoffte er wenigstens. Stieglitz hatte sie noch von Lippert aus angerufen und sie gebeten, alles für den Umzug in das Hotel zu arrangieren. "So, so, meine Gattin, interessant", murmelte er, dann klopfte er an die Tür von Zimmer 17.
"Herzlich willkommen, Herr Helmholtz", begrüßte er Stieglitz, der sich unter diesem Namen vorgestellt hatte, "Zimmer 17 im ersten Stock, Ihre Gattin erwartet Sie bereits."
Stieglitz bedankte sich lächelnd und stieg die Treppe hinauf. Er trug nur den kleinen Koffer mit Ausrüstung bei sich, den Lippert ihm mitgegeben hatte. Eine weitaus größere Reisetasche hatte Gianna Modugno ihm mitgebracht. So hoffte er wenigstens. Stieglitz hatte sie noch von Lippert aus angerufen und sie gebeten, alles für den Umzug in das Hotel zu arrangieren. "So, so, meine Gattin, interessant", murmelte er, dann klopfte er an die Tür von Zimmer 17.
Freitag, 22. April 2011
Der Clip
"Wir brauchen noch mehr!" Der alte General brüllt. Er hebt die Hand und zeigt auf ein Wohnhaus. "Das da. Holt mal vierzehn Leute da raus und bringt sie auf den Platz."
Zwei Soldaten treten die Tür zum Hauseingang ein, zwei weitere folgen ihnen ins Haus. Wohnung für Wohnung durchsuchen sie, treiben mit vorgehaltenen Sturmgewehren die Bewohner auf die Straße.
Zwei Soldaten treten die Tür zum Hauseingang ein, zwei weitere folgen ihnen ins Haus. Wohnung für Wohnung durchsuchen sie, treiben mit vorgehaltenen Sturmgewehren die Bewohner auf die Straße.
Donnerstag, 21. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 10
"Spielzeug für Nerds", grummelte Stieglitz, während er sein Auto aufschloss und einen kleinen Koffer voll mit elektronischen Geräten und rätselhaften mechanischen Werkzeugen auf den Beifahrersitz legte. Frank Lippert hatte ihm eine Menge Equipment mitgegeben, aber keine Schusswaffe. Stieglitz hatte ihm von bisherigen Todesfällen berichtet und musste sich Lipperts Argument geschlagen geben, keinem der Opfer hätte eine Schusswaffe das Leben gerettet. Bei Georg Fauster, dem Bordellbetreiber, der aus dem Fenster gestürzt - oder gestürzt worden - war, hatte die Polizei sogar eine Schusswaffe gefunden, die unangerührt im Schulterholster des Toten gesteckt hatte.
"Du hast hier keinen Revolverhelden vor dir, der seine Gegner im Morgengrauen vor dem Saloon erwartet. Und das ist auch keine Machtdemonstration, bei der von Kugeln durchsiebte Leichen weitere Gegner - von wem auch immer - einschüchtern sollen. Zwei Unfälle, ein Herzleiden, und ein Feuer, bei dem Brandstiftung genau so wahrscheinlich ist wie eine Verkettung unglücklicher Zufälle: Wenn es sich überhaupt um Morde handelt...", hatte Lippert seine Zweifel zum Ausdruck gebracht.
"Du hast hier keinen Revolverhelden vor dir, der seine Gegner im Morgengrauen vor dem Saloon erwartet. Und das ist auch keine Machtdemonstration, bei der von Kugeln durchsiebte Leichen weitere Gegner - von wem auch immer - einschüchtern sollen. Zwei Unfälle, ein Herzleiden, und ein Feuer, bei dem Brandstiftung genau so wahrscheinlich ist wie eine Verkettung unglücklicher Zufälle: Wenn es sich überhaupt um Morde handelt...", hatte Lippert seine Zweifel zum Ausdruck gebracht.
Montag, 18. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 9
Die Morgensonne schien durch einen Spalt in den Vorhängen und weckte Sergio Cabagnelli. Der zwinkerte und drehte den Kopf auf die Seite. Die junge Frau war noch nicht aufgewacht. Er verzog das Gesicht und stieß ihr mit der Hand vor die Schulter: "Ee, steh auf, zieh dich an und verschwinde!" Er drehte sich auf die andere Seite und murmelte leiser, aber immer noch so, dass sie es unmissverständlich hören konnte: "Maledetta puttana". Ohne ein Wort stand die junge Frau auf, schlüpfte in die Kleider, die sie unweit auf einem Stuhl abgelegt hatte und schloss leise die Tür hinter sich, als sie das Schlafzimmer verließ. Sich so behandeln zu lassen, gehörte zu ihrem Job. Sergio Cabagnelli pflegte Vorkasse zu zahlen und war nicht geizig.
Samstag, 16. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 8
"Du brauchst keine Waffe."
"Wie, ich brauche keine Waffe? Das musst ausgerechnet du mir sagen!"
Norbert Stieglitz war irritiert. Er saß in dem Büro seines ehemaligen Schulkameraden Frank Lippert, der inzwischen ein gutgehendes Personenschutzunternehmen führte, und seit seiner Jugend leidenschaftlicher Sammler von Schuss-, Hieb und Stichwaffen aller Art war. Stieglitz hatte ihn angerufen und um ein Gespräch gebeten. Gehofft hatte er, Frank werde ihm auf dem "kurzen Dienstweg" eine Waffe samt der notwendigen Papiere besorgen. Zur Not auch ohne Papiere. Und vielleicht noch einen Crashkurs im Pistolenschießen geben.
Stattdessen bemühte sich genau dieser Frank Lippert nun, ihm klar zu machen, er benötige keine Waffe.
"Zieh eine Waffe nur, wenn du auch bereit bist, zu schießen. Und schieß nur, wenn du auch bereit bist, zu töten. Du willst aber gar nicht töten. Du brauchst also auch keine Waffe."
"Wie, ich brauche keine Waffe? Das musst ausgerechnet du mir sagen!"
Norbert Stieglitz war irritiert. Er saß in dem Büro seines ehemaligen Schulkameraden Frank Lippert, der inzwischen ein gutgehendes Personenschutzunternehmen führte, und seit seiner Jugend leidenschaftlicher Sammler von Schuss-, Hieb und Stichwaffen aller Art war. Stieglitz hatte ihn angerufen und um ein Gespräch gebeten. Gehofft hatte er, Frank werde ihm auf dem "kurzen Dienstweg" eine Waffe samt der notwendigen Papiere besorgen. Zur Not auch ohne Papiere. Und vielleicht noch einen Crashkurs im Pistolenschießen geben.
Stattdessen bemühte sich genau dieser Frank Lippert nun, ihm klar zu machen, er benötige keine Waffe.
"Zieh eine Waffe nur, wenn du auch bereit bist, zu schießen. Und schieß nur, wenn du auch bereit bist, zu töten. Du willst aber gar nicht töten. Du brauchst also auch keine Waffe."
Freitag, 15. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 7
Sehr sorgfältig trug Maria Cabagnelli den nachtblauen Nagellack auf die Fingernägel der rechten Hand auf. Sie saß vor der Schminkkommode in ihrem Schlafzimmer, bekleidet mit einem ebenso nachtblauen spitzenbesetzten Body. Musik füllte den Raum, "Through the Barricades", ein alter Song von Spandau Ballet, klang aus der Surround-Anlage. Als endlich auch der Fingernagel des kleinen Fingers mit einer makellosen Lackschicht überzogen war, schraubte sie sorgsam den Deckel mit dem eingearbeiteten Pinsel wieder auf das Lackfläschchen. Dann musterte sie sich mit der Andeutung eines Lächelns im Spiegel. Maria Cabagnelli war eine schöne Frau mit zarten, schlanken Gesichtszügen. Sie war im letzten März fünfunddreißig geworden, von ein paar Lachfalten abgesehen, war ihre hell gebräunte Haut makellos glatt. Sie war nicht überschlank, ihre Proportionen unterstrichen wirkungsvoll ihre Weiblichkeit. Ihr langes gewelltes Haar trug sie im Moment offen, wenn sie ausging, hatte sie es jedoch meist zu einer komplizierten, aber glamourösen Hochsteckfrisur geflochten. Dann noch etwas Make-Up, und sie wäre perfekt für den Abend.
Donnerstag, 14. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 6
"Das Ellenbogengelenk ist durchgedrückt, die Schießhand umfasst den Griff der Waffe so, dass die Laufachse ungefähr die Verlängerung des Unterarmes darstellt... Ach verdammt!" Norbert Stieglitz warf das Buch in die Ecke. Dann hob er es auf und stellte es zurück ins Regal rechts neben dem großen gläsernen Schreibtisch in seiner Detektei. Schießen lernt man nicht beim Lesen, sondern beim Schießen. Seitdem Stieglitz vor mehr als zwanzig Jahren seinen Wehrdienst absolviert hatte, hatte er keine Pistole mehr angerührt. Er hatte eine Zeit lang mit dem Gedanken gespielt, Schießtraining zu absolvieren, als er sich mit seiner Detektei selbständig gemacht hatte, aber mangels Notwendigkeit den Gedanken bald wieder aufgegeben.
Doch dieser Auftrag änderte alles: Im Laufe des Gesprächs mit Gianna Modugno war ihm klar geworden, dass er ganz unerwartet auf lebensgefährliches Terrain geraten war.
Doch dieser Auftrag änderte alles: Im Laufe des Gesprächs mit Gianna Modugno war ihm klar geworden, dass er ganz unerwartet auf lebensgefährliches Terrain geraten war.
Mittwoch, 13. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 5
Als Sven Klöckner an diesem Morgen die Tür zu seiner Bankfiliale aufschloss, wusste er, der Tag wird gut. Er hatte sich in den letzten Stunden gezwungen, keine Wirtschaftsnachrichten zu lesen, hatte im Auto statt des Radioprogramms eine CD gehört, hatte nicht einmal die Schlagzeilen der BILD eines Blickes gewürdigt, die an dem Kiosk auslag, den er auf dem kurzen Fußweg vom Parkplatz bis zur Bank passieren musste. Er wollte den Triumph nicht häppchenweise, sondern in einer einzigen großen emotionalen Welle auskosten.
Eine Schlagzeile in der BILD, das wäre die Meldung ohnehin nicht wert gewesen, die Klöckner an diesem Tag erwartete, und selbst die Wirtschaftsseiten der Publikumszeitungen würden kaum Kenntnis davon nehmen. Fiat würde einen kleinen, aber börsennotierten Zulieferer schlucken wollen, und den Aktionären deshalb ein Übernahmeangebot für dessen Aktien unterbreiten, das zwei Euro, also mithin zwanzig Prozent, über dem letzten Tageskurs lag. Und damit würde der Kurs um - mindestens - zwanzig Prozent steigen.
Eine Schlagzeile in der BILD, das wäre die Meldung ohnehin nicht wert gewesen, die Klöckner an diesem Tag erwartete, und selbst die Wirtschaftsseiten der Publikumszeitungen würden kaum Kenntnis davon nehmen. Fiat würde einen kleinen, aber börsennotierten Zulieferer schlucken wollen, und den Aktionären deshalb ein Übernahmeangebot für dessen Aktien unterbreiten, das zwei Euro, also mithin zwanzig Prozent, über dem letzten Tageskurs lag. Und damit würde der Kurs um - mindestens - zwanzig Prozent steigen.
Dienstag, 12. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 4
"Guten Morgen. Enrico Cabagnelli schickt mich. Darf ich hereinkommen?" Stieglitz war misstrauisch. Die schlanke Frau an seiner Wohnungstür, vielleicht Ende zwanzig, leicht südländische Gesichtszüge, glatte dunkle Haare, die offen über ihre Schultern fielen, war in einen dunklen Hosenanzug gekleidet. Auftreten und Erscheinung erinnerten Stieglitz an eine Anwältin oder Steuerprüferin, und mit beiden Berufsgruppen stand er sich nicht sonderlich gut. "Ach, entschuldigen Sie, ich habe mich gar nicht vorgestellt: Gianna Modugno, ich bin Herr Cabagnellis Mitarbeiterin, und soll Ihnen bei Ihrem Auftrag assistieren. Sollen wir uns nicht doch lieber drinnen darüber unterhalten?"
"Ja natürlich, kommen Sie herein. Gehen Sie gleich durch ins Wohnzimmer." Stieglitz trat einen Schritt zur Seite und deutete mit ausgestrecktem Arm in Richtung seines Wohnzimmers. Die Observation, so hatte er es mit Cabagnelli vereinbart, würde er am kommenden Montag beginnen - heute war erst Donnerstag. Außerdem pflegte er Klienten, oder deren 'Mitarbeiterinnen', was immer das in diesem Fall bedeuten mochte, in seiner Detektei zu empfangen und nicht bei sich zu Hause. Und: Dass Cabagnelli ihm eine 'Assistentin' zur Seite stellen würde, hatte er gestern mit keiner Silbe angedeutet. Stieglitz war jetzt hellwach.
"Ja natürlich, kommen Sie herein. Gehen Sie gleich durch ins Wohnzimmer." Stieglitz trat einen Schritt zur Seite und deutete mit ausgestrecktem Arm in Richtung seines Wohnzimmers. Die Observation, so hatte er es mit Cabagnelli vereinbart, würde er am kommenden Montag beginnen - heute war erst Donnerstag. Außerdem pflegte er Klienten, oder deren 'Mitarbeiterinnen', was immer das in diesem Fall bedeuten mochte, in seiner Detektei zu empfangen und nicht bei sich zu Hause. Und: Dass Cabagnelli ihm eine 'Assistentin' zur Seite stellen würde, hatte er gestern mit keiner Silbe angedeutet. Stieglitz war jetzt hellwach.
Montag, 11. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 3
Jeder andere hätte das leise Zischen überhört, das sich unauffällig unter das Dröhnen des Motors gemischt hatte. Jürgen Dempf nicht: Der vierundfünfzigjährige Pilot hatte tausende von Flugstunden in seiner Beechcraft Bonanza zugebracht und pflegte mit einer an Paranoia grenzenden Aufmerksamkeit während des Flugs auch die kleinste Unregelmäßigkeit zu bemerken. Fand er dann nicht innerhalb weniger Minuten deren Ursache, steuerte er unweigerlich den nächsten Flugplatz an, um dem, was er wahrgenommen hatte, am Boden auf den Grund zu gehen. Erst vor zwei Wochen hatte er einen Dienstflug wegen ungewöhnlicher Geräusche unterbrochen, die, wie sich dann gezeigt hatte, von einem Popcornbecher stammten, der im Fußraum des Passagierbereichs herum gerollt war.
Sonntag, 10. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 2
"Hunderttausend Euro für ein halbes Jahr meines Lebens", dachte Stieglitz beim Frühstück. "Ein Hurenlohn, aber nicht für eine Hure von Klasse." Die Demütigung hatte Stieglitz nicht vergessen, und ein ums andere Mal hatte er sich am vergangenen Abend gefragt, warum er Cabagnelli nicht einfach gesagt hatte, er möge doch bitte sein schmutziges Geld einpacken und sich zum Teufel scheren. Hatte er, indem er das unterlassen hatte, Cabagnellis Urteil nicht sogar noch bestätigt?
Für Stieglitz waren hunderttausend Euro mehr Geld, als seine Detektei in den letzten beiden Jahren zusammengenommen abgeworfen hatte. Cabagnelli hatte außerdem "Anzahlung" gesagt und würde wohl auch Nachforderungen begleichen, ohne mit der Wimper zu zucken. So lange er davon überzeugt war, Stieglitz erledige seine Arbeit gewissenhaft.
Für Stieglitz waren hunderttausend Euro mehr Geld, als seine Detektei in den letzten beiden Jahren zusammengenommen abgeworfen hatte. Cabagnelli hatte außerdem "Anzahlung" gesagt und würde wohl auch Nachforderungen begleichen, ohne mit der Wimper zu zucken. So lange er davon überzeugt war, Stieglitz erledige seine Arbeit gewissenhaft.
Samstag, 9. April 2011
Hieb- und stichfest - Kapitel 1
"Meine Frau betrügt mich! Ich will, dass Sie das beweisen". So oder ähnlich hatte Norbert Stieglitz das in den letzten elf Jahren alle paar Tage gehört, seitdem er sich als privater Ermittler selbständig gemacht hatte. Eigentlich hatte er sich diesen Job anders vorgestellt: Entführungsopfer befreien, Betriebsspione enttarnen, Mordermittlungen zum Abschluss bringen, die die Polizei längst aufgegeben hatte, solche Dinge eben. Aber untreue Ehepartner? Damit ließ sich Geld verdienen, aber berufliche Erfüllung hätte für ihn anders ausgesehen.
Und jetzt saß ihm Enrico Cabagnelli gegenüber, dem in der Stadt eine Pizzaria gehörte, ein Eiscafé und der außerdem Miteigentümer eines örtlichen Entsorgungsbetriebs war - das zumindest war der Bereich seines Wirkens, von dem die Öffentlichkeit wusste.
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